AGH Berlin, Urteil vom 14.11.2019, Az. AGH 6/18

Der Berliner Anwaltsgerichtshof hat eine Klage mehrerer Rechtsanwälte gegen die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) auf den Betrieb des "besonderen elektronischen Anwaltspostfach" (beA) mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung abgewiesen.

Vorbemerkung: Durch eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sind Nachrichten, Fotos, Videos, Sprachnachrichten, Dokumente, Statusmeldungen und Anrufe so geschützt, dass Nachrichten mit Schlössern gesichert werden und nur der Absender und der Empfänger die Schlüssel zur Entschlüsselung besitzen.

Die Argumentation der klagenden Anwälte: Die Sicherheitsarchitektur des beA genügt den derzeitigen rechtlichen (sic!) Anforderungen.

Die Kläger beanstanden die Sicherheitsarchitektur des beA. Sie machen geltend, dass das beA wegen der Verwendung des Hardware-Sicherheitsmoduls (HSM), das Nachrichten "umschlüsselt", nicht der gesetzlichen Vorgabe eines sicheren Übermittlungsweges genüge. Dadurch werde ungerechtfertigt in das Berufsausübungsrecht der Anwälte eingegriffen.

Der Anwaltsgerichtshof meint dagegen: Ein „relativer Zustand der Gefahrenfreiheit" reiche aus. Die Rechtsanwaltschaft habe keinen Anspruch darauf, dass das beA mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung betrieben werde. Eine durchgehende Verschlüsselung schreibe weder die BRAO noch die ZPO vor. Die Sicherheitsarchitektur des beA genüge dem Erfordernis eines sicheren Übertragungswegs. Bei dem Begriff der „Sicherheit" handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung und Auslegung der Sinn und Zweck des Gesetzes und die geschützten Rechtspositionen der Kläger heranzuziehen seien. Nach diesen Auslegungskriterien sei Sicherheit nur als ein relativer Zustand der Gefahrenfreiheit zu verstehen. Sicherheit bedeute Freiheit von unvertretbaren Risiken. Danach sei das beA als sicher zu beurteilen.

Anmerkung: Soweit ersichtlich, hat der Gesetzgeber mit Sicherheit nicht den Leidensweg des beA vorausgesehen. Die Folge: Die Anwälte begnügen sich nun eben notgedrungen mit einem breiteren „relativen Zustand der Gefahrenfreiheit” und eröffnen ein neues Geschäftsfeld (für verbotene Recherchen). Digitale Auswege wird es nicht geben, weil bei bestimmten Vorgängen im Zweifel stets jemand daran interessiert sein wird, Geheimnisse bekannt zu machen. „Relativer Zustand der Gefahrenfreiheit“ - mehr oder weniger eben.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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