Auch der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Wer in einen frei zugänglichen Zug ohne Fahrkarte einsteigt, schließt einen Vertrag mit dem Beförderer. Urteil vom 7. November 2019, Rechtssachen C-349/18 bis C-351/18. Es handelt sich um kein Rechtsverhältnis verwaltungsrechtlicher Natur.

Begründung

„Die Fahrkarte ist nur das Instrument, das den Beförderungsvertrag verkörpert. Der Begriff ‚Beförderungsvertrag’ ist unabhängig vom Besitz einer Fahrkarte durch den Fahrgast und umfasst daher eine Situation, in der ein Fahrgast in einen frei zugänglichen Zug einsteigt, um eine Fahrt zu unternehmen, ohne sich eine Fahrkarte besorgt zu haben.”

Anmerkungen

Im Fokus des Urteils steht der Begriff „Beförderungsvertrag” in Art. 3 Nr. 8 der EG-VO Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr.

Mit Rechtsfragen zu minderjährigen Fahrgästen hat sich der EuGH, soweit ersichtlich, nicht auseinandergesetzt.

Für das nationale deutsche Recht wird - anders als früher - das einst angenommene „faktische Vertragsverhältnis” abgelehnt. Bejaht wird von der absolut h.M., dass der Fahrgast konkludent nach §§ 147, 151 BGB eine Willenserklärung abgibt. Ein abweichender innerer Wille ist nach § 116 BGB als geheimer Vorbehalt und ein ausdrücklich erklärter entgegenstehender Wille nach § 242 unerheblich. Ob der Grundsatz: „Protestatio facto contraria non valet” aus dem römischen Recht im Fall des ausdrücklich erklärten Widerspruchs anzuwenden ist, ist national umstritten. Instruktiv, aber nicht allgemein anerkannt, ist ein BGH-Urteil vom 8.5.2000 (Az. VI ZR 173/99). Neue rechtsmethodische Erkenntnisse im Verhältnis zur nationalen deutschen Rechtsprechung und Literatur verschafft - wie oft - das EuGH-Urteil vom 7.11.2019 nicht. Studenten können sich immer noch die Köpfe heiß reden. Letztlich muss jedoch auch für nachfolgende Fragen, wie zu Fahrten Minderjähriger ohne Fahrkarte, das Ergebnis des EuGH-Urteils zugrunde gelegt werden. 

 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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