Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.8.2019, Az. 1 BvR 879/12; bekannt gegeben heute, 9.10.2019. Hervorhebungen und die Gliederung zum besseren Verständnis von uns.

Anmerkung von uns vorab: Dieser Beschluss schließt an eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. April 2018 an. Diese Rechtsprechung kann sich unverhofft stark auswirken. Das „exzellente Wohlfühlerlebnis” (BGH, BVerfG) als Freiheitsrecht bietet sich als magisches Schlagwort an und kann sich zum „exzellenten Erlebnis“ als Freiheitsrecht entwickeln. Das BVerfG hält so gut wie immer an seiner Rechtsprechung fest. Allerdings lässt es die bisherige Rechtsprechung noch weitreichend zu, sie zu modifizieren. Wie so oft geht dieser Beschluss mit allgemeinen Formulierungen von einem ungewöhnlichen Sachverhalt aus. Er erging zu dem damaligen Bundesvorsitzenden der NPD Udo Voigt, der sich mit seiner Gattin in Bad Saarow am Scharmützelsee in einem Wellness-Hotel erholen wollte. Damals lief noch kein Verbotsverfahren gegen die NPD.   

Der Fall

„Der Beschwerdeführer war von März 1996 bis November 2011 Bundesvorsitzender der N. (siehe Anmerkung oben). Seine Ehefrau buchte für beide Eheleute für den Zeitraum vom 6. bis 10. Dezember 2009 einen Aufenthalt in dem Hotel E. in B. Nachdem das Touristikunternehmen die Buchung zunächst bestätigt hatte, teilte es am 19. November 2009 mit, dass ein Aufenthalt in dem Hotel nicht möglich sei, und bot verschiedene Unterbringungsalternativen sowie eine kostenfreie Stornierung an. Auf Nachfrage erteilte die Hotelbetreiberin dem Beschwerdeführer am 23. November 2009 ein Hausverbot. Dieses begründete sie mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 damit, dass die politische Überzeugung des Beschwerdeführers nicht mit dem Ziel des Hotels zu vereinbaren sei, jedem Gast nach Möglichkeit ein exzellentes Wohlfühlerlebnis zu bieten.”

Begründung

a. Allgemein zu Art. 3 Abs. 1 GG: keine Drittwirkung

„Art. 3 Abs. 1 GG enthält kein objektives Verfassungsprinzip, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten von diesen prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Dahingehende Anforderungen ergeben sich auch nicht aus den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung. Grundsätzlich gehört es zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie wann unter welchen Bedingungen welche Verträge abschließen und wie sie hierbei auch von ihrem Eigentum Gebrauch machen will. Diese Freiheit wird durch die Rechtsordnung und insbesondere durch das Zivilrecht näher ausgestaltet und vielfach begrenzt; dabei kann dieses auch von Verfassungs wegen spezifischen Anforderungen unterliegen. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach private Vertragsbeziehungen jeweils den Rechtfertigungsanforderungen des Gleichbehandlungsgebots unterlägen, folgt demgegenüber aus Art. 3 Abs. 1 GG auch im Wege der mittelbaren Drittwirkung nicht (vgl. BVerfGE 148, 267 <283 Rn. 40>).” Zu unterscheiden ist zwischen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3.

b. Spezifische Konstellationen zu Art. 3 Abs. 1 GG

„Gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten können sich aus Art. 3 Abs. 1 GG nur für spezifische Konstellationen ergeben, so etwa bei einem einseitigen, auf das Hausrecht gestützten Ausschluss von Veranstaltungen, die aufgrund eigener Entscheidung der Veranstalter einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden und der für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet. Auch in anderen Fällen darf die aus einem Monopol oder aus struktureller Überlegenheit resultierende Entscheidungsmacht nicht dazu genutzt werden, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund von einem bestimmten Ereignis auszuschließen (vgl. BVerfGE 148, 267 <283 f. Rn. 41>).” 

c. Drittwirkung des Art. 3 Abs. 3 GG

„Allerdings ist von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht geklärt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die verschiedenen speziellen Gleichheitsrechte des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG Drittwirkung entfalten können (vgl. BVerfGE 148, 267 <283 Rn. 40>). Auch der vorliegende Fall bietet hierzu keine Veranlassung. 

In Frage steht Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vorliegend allein insoweit, als dieser gegen Ungleichbehandlungen wegen der politischen Anschauungen schützt. Diese Bestimmung ist, wie der Bundesgerichtshof zutreffend festgestellt hat, im Rechtsverkehr zwischen Privaten jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar (vgl. Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 139; Uerpmann-Wittzack, in: Merten/Papier, HGRe, Bd. V, 2013, § 128 Rn. 35; Britz, VVDStRL 64 [2004], S. 355 <361 f.> m.w.N.). Auch wenn sich aus dieser Vorschrift aber mittelbar möglicherweise weiterreichende und strengere Bindungen als aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sollten, könnte das jedenfalls nicht bedeuten, dass zwischen Privaten diesbezüglich ein absolutes Unterscheidungsverbot gelten könnte, sondern bedürfte es eines Ausgleichs mit entgegenstehenden Freiheitsrechten. Dass dieser hier zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen müsste, ist nach den vom Bundesgerichtshof zu Grunde gelegten konkreten Umständen nicht ersichtlich.”

d. Spezielle Bestätigung der BGH- Entscheidung

„Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird der Beschwerdeführer durch das in die Zukunft gerichtete Hausverbot lediglich in seiner Freizeitgestaltung beeinträchtigt. Eine darüber hinausgehende Beeinträchtigung seiner Lebensgestaltung liegt nicht vor. Auch wurde dem Beschwerdeführer das Hausverbot vorab schriftlich und nicht etwa erst bei der Ankunft in dem Hotel mitgeteilt. Die Mitteilung war deshalb nicht mit einer öffentlichen Bloßstellung und Stigmatisierung verbunden. Der Beschwerdeführer muss nach dem teilweise stattgebenden Urteil des Bundesgerichtshofs auch lediglich für die Zukunft hinnehmen, in dem hier in Frage stehenden Hotel nicht willkommen zu sein. Dabei gibt es in der Umgebung eine Vielfalt anderer Hotels, um die sich der Beschwerdeführer bemühen kann. Dass er insoweit auf grundsätzliche Schwierigkeiten stöße und er aufgrund seiner politischen Überzeugung boykottiert oder vom öffentlichen Leben ausgeschlossen wäre, ist nach den fachgerichtlichen Feststellungen nicht ersichtlich. Dem Beschwerdeführer wurden vielmehr ausdrücklich Beherbergungsalternativen in der Umgebung angeboten.

Auf Seiten der Hotelbetreiberin verweist der Bundesgerichtshof auf das durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Hausrecht sowie die unternehmerische Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Dabei führt er aus, dass sie ein Geschäftskonzept verfolgt, bei dem die Erholung und Freizeitgestaltung der Gäste im Mittelpunkt steht, und sie als Hotelbetreiberin befürchten musste, dass sich andere Hotelgäste durch die Konfrontation mit dem Beschwerdeführer aufgrund der von ihm kurz zuvor in die Öffentlichkeit getragenen politischen Überzeugungen gestört fühlen würden, weil sich der Beschwerdeführer durch polarisierende politische Äußerungen im Zeitraum vor der Verhängung des Hausverbots in besonderer Weise in die Öffentlichkeit begeben hatte. Die Hotelbetreiberin hätte sich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Beschwerden, Protesten, Spannungen im Betriebsablauf und gegebenenfalls auch Stornierungen ausgesetzt gesehen, wenn sie den Beschwerdeführer aufgenommen hätte.

Jedenfalls angesichts dieser Sachlage ist – ohne dass es hier auf eine grundsätzliche Klärung der Wirkungen des Art. 3 Abs. 3 GG im Verhältnis zwischen Privaten näher ankommt – nicht erkennbar, dass die angegriffene Entscheidung den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt.“

Prof. Dr. Robert Schweizer

Prof. Dr. Robert Schweizer

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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