Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. 8. 2019, Az.: AnwZ (Brfg) 36/19. Hervorhebung von uns.

„Entscheidend ist unabhängig von der juristischen Schwierigkeit der Tätigkeiten im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO, dass kein anderes, nicht anwaltliches Tätigkeitsfeld der Klägerin ersichtlich ist, das das nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs quantitativ eindeutig von anwaltlicher Tätigkeit geprägte Arbeitsverhältnis der Klägerin qualitativ prägen könnte.”

Es kommt nicht darauf an, dass die Klägerin täglich mit etwa 40 Verfahren befasst ist und wie vertieft die juristische Befassung in diesen Verfahren ist. Das Merkmal der Prägung dient nicht dazu, die Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO nach ihrer juristischen Qualität zu beurteilen und juristisch einfache anwaltliche Tätigkeit auszuschließen, sie dient dazu, eine Zuordnung derjenigen Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen, die sowohl Leistungen im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO als auch anwaltsfremde Aufgaben beinhalten (Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, BT-Drucks. 18/5201, S. 19).

Es bedarf insoweit sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht eines Vergleichs zwischen den anwaltlichen und den nicht anwaltlichen Tätigkeitsfeldern und einer Feststellung, welches Tätigkeitsfeld in quantitativer und qualitativer Hinsicht den Schwerpunkt bildet. Entscheidend ist damit nicht, wie juristisch hochwertig die anwaltlichen Tätigkeiten der Klägerin sind, sondern dass hier der anwaltlichen Tätigkeit kein gewichtigeres nicht anwaltliches Tätigkeitsfeld gegenübersteht, das das Arbeitsverhältnis qualitativ prägen könnte.

Anmerkungen.

1.

Der Beschluss leitet ein:

Die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten, fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten den Kern beziehungsweise den Schwerpunkt der Tätigkeit darstellen, mithin die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung des Rechtsanwalts sein, so dass das Arbeitsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeit beherrscht wird (vgl. nur Senat, Urteil vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18; Beschluss vom 27. Februar 2019 - AnwZ (Brfg) 36/17). Ob es für die Annahme einer Prägung des Arbeitsverhältnisses ausreicht, dass die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Tätigkeiten mehr als die Hälfte der insgesamt geleisteten Arbeit ausmachen, hat der Senat bisher offengelassen. Ein Anteil von etwa 70 bis 80 % reicht regelmäßig aus (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2018, aaO Rn. 82; Beschluss vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 29/17).

2.

§ 43 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO legt fest:

3) Eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 liegt vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch folgende fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübende Tätigkeiten sowie durch folgende Merkmale geprägt ist:

1.
die Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts, sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten,
2.
die Erteilung von Rechtsrat,
3.
die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten und
4.
die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten.

Prof. Dr. Robert Schweizer

Prof. Dr. Robert Schweizer

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

TELEFON:

+49.89.9280850

E-MAIL:

r.schweizer@schweizer.eu

Zum Profil