Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 28. Mai 2019, Az. VI ZR 328/18, in ausführlichen Leitsätzen lehrbuchartig und verallgemeinerungsfähig Grundsätze zur Beweisführung mit Erleichterungen dargelegt.
Anlass war ein Fall der Körperverletzung, jedoch, wie erwähnt, verallgemeinerungsfähig für andere Rechtsfälle.

Beanstandet hat der BGH, dass die Vorinstanz annahm: „Mangels erheblichen Sachvortrags lägen die Voraussetzungen für die Vernehmung der benannten Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Kausalität des Unfalls für die behaupteten Verletzungen nicht vor. Sowohl an der Wirbelsäule als auch am rechten Ellenbogen sei der Kläger vorgeschädigt gewesen. Sachvortrag, der auch nur annähernd eine erneute Verletzung im Bereich der Wirbelsäule und am rechten Ellenbogengelenk sowie eine Kausalität des Unfallgeschehens erkennen lasse, fehle.”

Die Leitsätze, Hervorhebungen von uns:

1.) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat.


2.) Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten. (Anm. des Verf.: Das Gericht (!) muss demnach insofern „ausforschen”.)

3) Von einem Kläger, der Schadensersatz wegen Verletzung seines Körpers oder seiner Gesundheit verlangt, kann keine genaue Kenntnis medizinischer Zusammenhänge erwartet und gefordert werden. Ihm fehlt insoweit das nötige Fachwissen (Anm. des Verf. - Perfekt verallgemeinert heißt dies für das Markenrecht: Den Markeninhabern und den Gerichten fehlt oft das marktforscherische Fachwissen zu Grundbegriffen wie: Verwechslungsgefahr, Bekanntheit, Verkehrsgeltung. Folglich dürfen sie repräsent. Studien zuziehen.) Es fehlt meistens das nötige Fachwissen. Er ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen.

Weitere allgemeine Anmerkung für das Marken- und Wettbewerbsrecht. Fachleuten ist bekannt, dass der BGH und der EuGH repräsentative Studien als (bestes) geignetes Beweisführungsmittel anerkennen. Nur weil (gegenwärtig) nicht für jeden Streitfall Umfragen durchgeführt werden können, begnügt sich die Praxis in der Regel mit eigenen Anschauungen. Wer einen Prozess unbedingt gewinnen muss, tut gut daran, gleich vorab den Sachverhalt mit einer repräsentativen Studie ermitteln zu lassen. Es liegen Urteile vor, nach denen eine (obsiegende) Partei nach § 91 die Studienkosten als notwendige Kosten einfordern darf. „Marktforschung auf Kosten der Konkurrenz" titelt ein vor Jahren verfasster kurzer Beitrag des Verf. in der Fachzeitschrift „Planung und Analyse". Dieses Thema betrifft das „Verkehrsauffassungsrecht". Siehe zu ihm schon auf dieser Homepage zu Beginn die Aufzählung der von unserer Kanzlei überwiegend bearbeiteten Rechtsgebiete.  

Prof. Dr. Robert Schweizer

Prof. Dr. Robert Schweizer

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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