Gestern wurde vor dem Oberlandesgericht München ein in erster Instanz gegen den Saarländischen Rundfunk erlassenes Urteil des Landgerichts München I bestätigt. Am 23. August haben wir an dieser Stelle über dieses Urteil erster Instanz berichtet.
Während des Berufungsverfahrens hat sich der Vertreter des Saarl. Rundfunks auf eine Festschrift-Abhandlung zur Bedeutung der pluralistischen Wirklichkeit für das Recht berufen: in diesem Falle allerdings erfolglos. Worum geht es bei dieser Fragestellung?
- Vertreten wird die Ansicht: Eine Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn ein erheblicher Teil der ... Leserinnen und Leser ... annimmt, dass die Äußerung .. objektiv als wahr oder unwahr festgestellt werden kann...(Schweizer, AfP 2001, 167 li. Sp., dort auch zum Begriff „Durchschnittsleser”).
- Ab welcher Mindestquote ist ein Teil erheblich?
- Dieser Frage ist Weimann in seiner Dissertation „Identitätsschutz durch Gegendarstellung” für das Gegendarstellungsrecht nachgegangen. Er hat ermittelt (Seite 173 dieser Dissertation):
„..., so ist zu fordern, dass ein ganz erheblicher Teil der maßgeblichen Rezipienten zu der vom Aspruchsteller behaupteten Textauffassung gelangt. Mit anderen Worten: Nur wenn ein überwiegender Teil - also mehr als 50 Prozent - der Rezepienten die anspruchsbegründenden Textinterpretationen vornimmt, kann der Abdruck einer Gegendarstellung gerechtfertigt sein.”
Aus dem Sinn und Zweck der anzuwendenden Norm kann sich zudem als Voraussetzung einer Eindrucks-Gegendarstellung ergeben, dass die Erstmitteilung zum Weiterdenken in die entsprechende Richtung geradezu zwingt. Diese Anforderung stellt beispielsweise das Landgericht München I in dem erwähnten Urteil, - im Anschluss an Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch - Presse, Film, Funk und Fernsehen.
Die Richter des OLG München haben den Gedanken, die Leserauffassungen zu ermitteln, aufgegriffen und in ihrem Umkreis nachgefragt. Das Ergebnis: Kein Befragter hatte beim Lesen des Artikels den vom Saarl. Rundfunk behaupteten Eindruck gewonnen; nämlich: Die in dem vom Saarl. Rundfunk angegriffenen Artikel gewählte Formulierung: „Es wird wegen Steuerschulden ermittelt” erwecke den Eindruck, es werde wegen Steuerhinterziehung ermittelt.
Rechtsüberlegungen zur Quote erübrigten sich damit in diesem Falle, - zumal der Anspruchsteller insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist.
Sobald uns das Urteil des OLG München in vollständiger Fassung zugestellt worden ist, werden wir Sie an dieser Stelle weiter informieren.