LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.04.2019 - 5 Sa 221/18

Schweigen ist im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung. Jedenfalls ist bei einem Arbeitsverhältnis im Falle nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind.
Der Fall,Hervorhebung von uns.
Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis für die Monate März 2017 bis September 2017 nicht auf der Grundlage des zuletzt gezahlten Stundenlohnes von € 13,71, sondern nur mit einem Stundenlohn von € 12,89 brutto ab. Die Einbuße in diesem Zeitraum beläuft sich auf insgesamt € 657,44 brutto. Ein Urlaubsgeld für das Jahr 2017 zahlte die Beklagte nicht. Des Weiteren behielt sie vom Nettoentgelt des Klägers einen Betrag in Höhe von € 128,70 ein.
Die Kürzung des Stundenlohnes um 6 % begründete das Unternehmen mit einer Vereinbarung der Parteien, da der Kläger nicht mehr als Servicetechniker tätig gewesen sei. Dem Kläger sei im Beisein des Serviceleiters mitgeteilt worden, dass der zukünftige Stundenlohn € 12,89 betrage. Hiergegen habe der Kläger keine Einwände erhoben. Aus der Begründung:
Schweigen ist im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung. Jedenfalls ist bei einem Arbeitsverhältnis im Falle nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind. Es fehlt im entschiedenen Fall an einem Verhalten des Klägers, aus dem sich bei verständiger Betrachtung ein Einverständnis mit einer Lohnkürzung herleiten lässt. Der Arbeitnehmer hat sich hierzu gar nicht erklärt, sondern ausgeschwiegen. Er hat nach den Ausführungen der Beklagten „keine Einwände erhoben“, d. h. sich hierzu nicht geäußert. Das genügt nicht, um von einer Zustimmung ausgehen zu können. Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, die auf eine Bereitschaft des Klägers schließen lassen, die angedachte Kürzung hinnehmen zu wollen. Es fehlt an irgendeinem positiven Signal des Arbeitnehmers. Zudem ist nicht erkennbar, welches Interesse der Kläger zum besagten Zeitpunkt an einem solchen Verzicht gehabt haben sollte.