BGH, Urteil vom 14. Februar 2019 - I ZR 6/17 -

Leitsätze:
a) Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei einer Abmahnung kann einen wichtigen Grund für die Kündigung einer auf der Abmahnung beruhenden Unterlassungsvereinbarung darstellen.
b) Bei einem aufgrund missbräuchlicher Abmahnung abgeschlossenen Unter-lassungsvertrag steht der Geltendmachung von Vertragsstrafen für Verstöße, die der Schuldner vor der Kündigung des Vertrags begangen hat, der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen.
Der Fall
Die Beklagte hatte Produkte rechtswidrig nicht gekennzeichnet (CE-Kennzeichnung) und verpflichtete sich strafbewehrt, dies künftig zu unterlassen. Der Kläger nahm die strafbewehrte Unterlassungserklärung an. Etwas später erwarb der Kläger bei der Beklagten mehrfach testweise immer noch nicht gekennzeichnete Produkte (Kopf- und Ohrhörer). Als Vertragsstrafe hat der Kläger 5.100 € je nicht ordnungsgemäß gekennzeichnetem Kopf- oder Ohrhörer verlangt.
Vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte die Unterlassungsvereinbarung außerordentlich mit der Begründung gekündigt, das Vorgehen des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf eine Widerklage der Beklagten hin zum Ersatz der Aufwendungen verurteilt, die der Beklagten für die Rechtsverteidigung zur Abwehr der Abmahnung entstanden waren. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers war erfolglos.
Begründung des BGH u.a. (und teilweise auch schon der Vorinstanzen)
Die Annahme eines Missbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt. Ebenso stellt es ein Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen dar, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse dient, die Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten zu belasten. Das ist etwa der Fall, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Abmahngeschäft "in eigener Regie" betreibt, allein um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zu erzielen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2018 - I ZR 248/16). ...