LAG Köln, Urteil vom 06.09.2018 – 6 Sa 64/18.

1.
Der vom Gericht formulierte Leitsatz:
Bei vielen Einzel-Pflichtverletzungen, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen können, summiert sich ohne Abmahnung kein Gesamtverstoß von so erheblichem Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte. Die Dokumentationsfunktion der Abmahnung hat gerade zum Gegenstand, dem Arbeitnehmer zu signalisieren, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.
2.
Die Urteilsbegründung veranschaulicht, dass der Leitsatz einschränkend zu verstehen ist (Hervorhebung von uns):
„Für eine fristlose fehlt der wichtige Grund – mehrere kleine Verstöße ergeben nicht aufsummiert einen großen Gesamtverstoß. Auch eine ordentliche Kündigung wegen Fehlverhaltens ist mangels sozialer Rechtfertigung unverhältnismäßig. Denn jeder einzelne Verstoß hat für sich gesehen keine Kündigung des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Auch wenn man diese Pflichtverletzungen summiert, ergibt sich daraus kein solch erheblicher Gesamtverstoß, der ohne vorherige Abmahnung eine Kündigung rechtfertigt. Die Dokumentationsfunktion der Abmahnung habe gerade zum Gegenstand, dem Arbeitnehmer zu signalisieren, dass es so wie bisher nicht weitergehen könne. Fehlt diese »letzte Warnung« des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer nicht erkennen, dass ohne vorherige Abmahnung arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen.”
Anmerkung
Bei einigen Sachverhalten kann dieser Leitsatz missverstanden werden. So etwa, wenn das Verhalten in der Person seinen Grund hat, und die Belegschaft weiß, dass der Mitarbeiter „eben so ist”. Zum Beispiel bei bestimmten sexuellen Beleidigungen. Bei Ausnahmen dieser Art können somit „Gründe im Verhalten” aus einem „Grund in der Person” folgen (der dem Mitarbeiter anhaftet und vom Arbeitgeber nicht hingenommen werden muss). Dies gilt schon im Hinblick auf § 1 KSchG, der u.a. bestimmt: Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen ...