Heute herausgegebenes BGH-Urteil vom 21. Februar 2019 - I ZR 15/18. Installationen, die vielleicht wieder entfernt werden sollen, können Schmerzensgeld für den Urheber nach sich ziehen. Über dieses Urteil haben wir an dieser Stelle schon am 22.2.2019 mit Hilfe einer Pressemittelung berichtet. Nun liegt das Urteil im Volltext vor.

Der Fall
Die Kläger sind „bildende Künstler”. Die Klägerin zu 1 errichtete im Eingangsbereich einer Minigolfanlage die Brunneninstallation „Quelle des Sonnensystems", der Kläger zu 2 im sogenannten „Stern-Raum" eine Sterninstallation. Die verwendeten Farben leuchteten unter Schwarzlicht. Die Minigolfanlage wurde im Juli 2010 eröffnet und zweieinhalb Jahre später umgestaltet. Die Installationen wurden dabei entfernt und zerstört.
Die Vorinstanzen haben die erhobene Klage auf Schmerzensgeld wegen der Entfernung und Zerstörung der Installationen abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat das angegriffene Urteil auf die Revision der Kläger aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen.
Begründung
Die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werks stellt - wie im Titel hervorgehoben - eine „andere Beeinträchtigung" im Sinne des § 14 UrhG dar:
1.
Das allgemeine Sprachverständnis steht der Annahme nicht entgegen, dass es sich bei der Vernichtung um einen weiteren Fall der Beeinträchtigung des Werks handelt.
2.
Der Zweck des § 14 UrhG, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers an seinem Werk zu schützen, spricht dafür, dass der Urheber nach dieser Bestimmung grundsätzlich auch eine Vernichtung seines Werks verbieten kann. Das Urheberpersönlichkeitsrecht kann durch die Vernichtung eines Werks in besonderer Weise betroffen sein, weil die Vernichtung das Fortwirken des Werks (als Ausdruck der Persönlichkeit seines Schöpfers) vereiteln oder erschweren kann. Durch die Vernichtung wird das geistige Band zwischen dem Urheber und seinem Werk durchschnitten.
Schließlich die nach § 14 vorzunehmende Interessenabwägung:
Bei der Prüfung, ob die Vernichtung geeignet ist, die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, müssen die Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werks umfassend gegeneinander abgewogen werden. Diese Abwägung hat das Kammergericht in der wiedereröffneten Berufungsinstanz nachzuholen. Sofern die Interessenabwägung zugunsten der Kläger ausgehen sollte, wird das Kammergericht weiter zu prüfen haben, ob es sich um eine schwerwiegende Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts handelt, die nicht durch andere Weise als durch eine Geldentschädigung ausgeglichen werden kann.
Anmerkungen
1.
Der Wortlaut des §14 Urheberrechtsgesetz
§ 14 Entstellung des Werkes
Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.
2.
In einem - ebenfalls heute veröffentlichten - Urteil vom 21. Februar 2019 - I ZR 98/17 - HHole (for Mannheim) hat der BGH folgenden Sachverhalt beurteilt:
Die Klägerin ist Künstlerin, die Beklagte betreibt die Kunsthalle Mannheim. Gegenstand dieses Verfahrens ist die von der Klägerin im Auftrag der Beklagten ab dem Jahr 2006 für den Athene-Trakt der Kunsthalle erschaffene multimediale und multidimensionale Rauminstallation „HHole (for Mannheim)". Die Installation umfasst verschiedene Teile auf allen sieben Gebäudeebenen des Trakts, die durch Öffnungen in den Geschossdecken miteinander verbunden sind. Im Jahr 2012 beschloss die Beklagte, den Athene-Trakt im Zuge der Neuerrichtung eines anderen Gebäudeteils weitgehend zu entkernen sowie einige Geschossdecken und das bisherige Dach abzubauen. Die Beklagte plant, das Werk im Zuge der Umbaumaßnahmen zu beseitigen. Inzwischen sind unter anderem die Geschossdecken in dem Trakt entfernt worden.
Für diesen Fall hat der BGH zur Interessenabwägung folgende Leitsätze formuliert:
a) Bei der Interessenabwägung ist auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werks handelte, oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existieren.
b) Ferner ist zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist, und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst ist oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck dient.
c) Auf Seiten des Eigentümers können, wenn ein Bauwerk oder Kunst in oder an einem solchen betroffen ist, bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein. Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken werden die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks oder Gebäudes den Interessen des Urhe-bers am Erhalt des Werks in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt.
d) Im Rahmen der Interessenabwägung kann sich auswirken, ob der Eigentümer dem Urheber Gelegenheit gegeben hat, das Werk zurückzunehmen oder - wenn dies aufgrund der Beschaffenheit des Werks nicht möglich ist - Vervielfältigungsstücke hiervon anzufertigen