Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 18.01.2019 – Az. 6 U 61/18.

„Die Verkehrsauffassung kann der Senat unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Kriterien selbst beurteilen. Denn der Senat gehört zu den angesprochenen europäischen Verkehrskreisen. Dass es nicht allein auf die Kenntnis eines deutschen Verbrauchers ankommt, sondern auf die Kenntnis eines „europäischen Verbrauchers“ abzustellen ist, führt nicht dazu, dass der Senat die Verkehrsauffassung nicht selbst beurteilen könnte. Wie sich aus der dargestellten Entscheidung des EuGH ergibt, hat dieser den europäischen Verbraucher ausdrücklich dem Verbraucher aus dem Herkunftsland gegenüber gestellt, so dass die Mitglieder des Senats zu diesen Verkehrskreisen zählen, zumal - so immer noch das OLG - die Mitglieder des Senats auch ein nicht unerhebliches Interesse an den Essgewohnheiten im europäischen Ausland haben und dort immer wieder einkauften”(!).
Anmerkungen:
1.
Wer sich mit den Klagen der Justiz auseinandersetzen muss, die Gerichte seien überlastet, und es mangele an der Qualität der Rechtsprechung, muss dieses Urteil beachten. 28 Druckseiten mit 166 Randnummern benötigt der Senat, um
a. auf eine Sachverhaltsfrage zu antworten, er wisse selbst, wie die Verbraucher in den europäischen Ländern auffassen, zumal die Mitglieder des Senats auch ein nicht unerhebliches Interesse an den Essgewohnheiten im europäischen Ausland haben und dort immer wieder einkaufen sowie im vierten Leitsatz
b. festzustellen: Die Bezeichnung „Culatello di Parma“ für ein aufgeschnittenes Rohschinkenprodukt in Klarsichtverpackung stellt eine Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung „Prosciutto di Parma“ dar.
2.
Überflüssig erschien dem Senat, sich mit den Ergebnissen einer vorgelegten Marktforschungsstudie auseinanderzusetzen, aber nicht mit der Begründung, die Voraussetzung „Anspielung” sei selbstverständlich erfüllt und ohne zu erwähnen, dass sowohl der EuGH als auch der BGH repräsentative Umfragen als Beweismittel anerkennen.
3.
Das Gericht hat die Revision zugelassen - mit der Begründung: „Die Revision wird zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Senat geht von einer grundsätzlichen Bedeutung aus, weil ... . Auch ist nicht höchstrichterlich entschieden, wie sich der europäische Verbraucher bestimmt.”
4.
Der BGH kann sich damit befassen, dass er in der Rechtsentwicklung zur Bedeutung und Feststellung der pluralistischen Wirklichkeit weltweit führend war, ehe der EuGH mit dem sog. europäischen Verbraucherleitbild einige Stufen zurücktrat. Vgl. eingehend zu den Entwicklungsstufen Schweizer, GRUR 2000, 923 ff., 931 f. sowie z.B. die Beiträge Schweizer in den Festschriften für Geimer, Heldrich, Sonnenberger. Die höchste Entwicklungsstufe wäre, im Anschluss an die früher am weitesten fortgeschrittene BGH-Rechtsprechung zu definieren: „Rechtserheblich ist, ob ein erheblicher Teil der rechtsrelevanten Personen in der jeweiligen Situation im Sinne der Norm auffasst.” (Schweizer a.a.O., S. 932 re.Sp.) Zur Definition der „rechtsrelevanten Personen” kann aus dem europäischen Verbraucherleitbild übernommen werden, dass und inwieweit es sich um informierte, verständige und aufmerksame Personen handeln muss.
5.
Grundsätzlich fragt sich darüber hinaus auch („relevante Personen"), ob pro Land der Sachverhalt festzustellen ist. Das OLG führt allerdings - eine Rechtsfrage beantwortend - aus: Da es sich um einen europaweiten Schutz handelt, kommt es auf die sogenannte Verkehrsauffassung des „europäischen Verbrauchers" an.
6.
Die Anspruchsgrundlage § 13 Abs. 1 lit.b bestimmt (Hervorhebung vom Verf.)
Schutz
(1) Eingetragene Namen werden geschützt gegen
a) ...
b) jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie „Art“, „Typ“, „Verfahren“, „Fasson“, „Nachahmung“ oder dergleichen verwendet wird, auch wenn dieses Erzeugnis als Zutat verwendet wird;