Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung vom 14.03.2019- Vf. 3-VII-18.

Begründung, Hervorhebungen von uns.
1. Art. 11 Abs. 2 BayRiStAG verstößt nicht gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 107 Abs. 1 und 2 BV).
Der Gesetzgeber hat im Fall des Aufeinandertreffens widerstreitender Verfassungsgüter einen möglichst schonenden Ausgleich zwischen den kollidierenden verfassungsrechtlich geschützten Werten zu schaffen. Hier hat er bei seiner Abwägung die institutionelle Neutralität der Justiz in Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Wertordnung als besonders schützenswertes Gut angesehen. Auf der anderen Seite durfte er berücksichtigen, dass die Person des Amtsträgers bei der Ausübung der ihm übertrage-nen Funktion tendenziell hinter seinem Amt zurücktritt und bei der privaten Selbstdarstel-lung im Rahmen der Amtstätigkeit das Gebot der Mäßigung gilt. Dementsprechend ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Verfassungsgütern, die mit dem Verbot geschützt werden, größeres Gewicht beigemessen hat als der mit der angegriffenen Regelung verbundenen Beeinträchtigung des Grundrechts der Amtsträger auf freie Bekundung ihres Glaubens.
2. Der Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV ist ebenfalls nicht verletzt.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz kann nicht damit begründet werden, Kreuze seien in Verhandlungsräumen weiterhin erlaubt. Die Ausstattung von Verhandlungsräumen betrifft ersichtlich einen anderen Sachverhalt als das Tragen von religiösen oder weltanschaulichen Symbolen durch die betroffenen Amtsträger. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Ausstattung des Verhandlungsraums Angelegenheit der Gerichtsverwaltung und daher nicht geeignet ist, Zweifel an der Unabhängigkeit und Neutralität des einzelnen Amtsträgers hervorzurufen.
3. Auch gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 118 Abs. 2 Satz 1 BV wird nicht verstoßen.
Art.11 Abs. 2 BayRiStAG knüpft nicht am biologischen Geschlecht des jeweiligen Amtsträgers an. Es ist auch nicht ersichtlich, dass in erster Linie Frauen beeinträchtigt würden. Art. 11 Abs. 2 BayRiStAG betrifft nicht nur das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen, sondern vielmehr alle religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke oder Symbole, die Zweifel an der Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung ihrer Trägerin oder ihres Trägers an Recht und Gesetz hervorrufen können. Hiervon umfasst sind auch Kleidungsstücke, die ausschließlich oder vorwiegend von Männern getragen werden, wie etwa die Kippa oder der Dastar. Im Übrigen verfolgt der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise das Ziel, Beeinträchtigungen des verfassungsrechtlichen Gebots der Neutralität der Justiz zu verhindern und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Gerichte zu bewahren. Die angegriffene Regelung hat angesichts dieses Normziels objektiv nichts mit einer Differenzierung aufgrund des Geschlechts zu tun.
Anmerkungen
Art. 11 des Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetz bestimmt:
Amtstracht, Neutralität
(1) Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen sowie Landesanwälte und Landesanwältinnen tragen Amtstracht nach näherer Bestimmung der obersten Dienstbehörde.
(2) Richter und Richterinnen dürfen in Verhandlungen sowie bei allen Amtshandlungen mit Außenkontakt keine sichtbaren religiös oder weltanschaulich geprägten Symbole oder Kleidungsstücke tragen, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen können. Satz 1 gilt für Staatsanwälte und Staatsanwältinnen sowie Landesanwälte und Landesanwältinnen entsprechend. Weitergehende Vorschriften bleiben unberührt.