Beschluss vom 20. November 2018 - 1 BvR 2716/17, veröffentlicht am 19.12.2018.

Eine Anmerkung zuvor: Bundesverfassungsgericht hilft den Medien auch bei Tatsachenbehauptungen. Wir haben an dieser Stelle schon öfters Entscheidungen aufgeführt, welche zugunsten der Medien angenommen haben, eine Behauptung sei keine Tatsachenbehauptung, sondern eine (unangreifbare) Meinungsäußerung. Bei diesem neuen Beschluss hat das BVerfG entgegen der beiden Vorinstanzen gleich eine Tatsachenbehauptung ins Leere laufen lassen. Nach den Erfahrungen des Verf. dieser Zeilen ist allerdings äußerst fraglich, ob „der durchschnittliche Zeitungsleser” feinsinnig so auffasst, wie das BVerfG unterstellt.
Der Fall
Eine Zeitung titelte zu Boris Becker:
„B... EXKLUSIV Millionen-Gläubiger packt aus - B. verpfändete auch das Haus seiner Mutter!“
Der Textanriss unter der Überschrift lautete: „B. (49) schuldet ihm rund 37 Millionen Euro. Exklusiv in B. spricht Gläubiger C. (74) über die Finanzlage der Tennis-Legende - S. 3“. Das Landgericht Berlin und das Kammergericht haben eine Gegendarstellung auf der Titelseite zuerkannt. Nicht jedoch das BVerfG.
Begründung
Bietet eine Titelschlagzeile dem jeweils maßgeblichen Verkehrskreis eine Bandbreite von Verständnismöglichkeiten, muss der gegendarstellungserhebliche Aussagegehalt eindeutig bestimmbar sein, um einen Gegendarstellungsanspruch zu begründen. ...
Vorliegend ist eine für juristische Laien eindeutig bestimmbare Tatsachenbehauptung nicht erkennbar. Es ist nicht auszuschließen, dass der in der Schlagzeile verwendete Begriff der „Verpfändung“ von einem durchschnittlichen Zeitungsleser auch als Beschreibung einer schuldrechtlichen Sicherungsbestellung verstanden werden kann. In einem solchen Fall dürfen die Fachgerichte nicht auf ihr eigenes juristisches Begriffsverständnis zurückgreifen, sondern müssen das Verständnis eines Laien zugrunde legen.