Für deutsche Juristen ein Aha-Erlebnis, für Juristen anderer Länder ein Bruch mit einer scheinbar selbstverständlichen Tradition: Gerichtshof der Europäischen Union PRESSEMITTEILUNG Nr. 96/18 vom 29.6.2018

Ab 1. Juli 2018 werden Vorabentscheidungssachen, an denen natürliche Personen beteiligt sind, anonymisiert.
Begründung:
Nachdem die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) seit kurzem gilt und demnächst die Datenschutzverordnung für die Organe der Europäischen Union in Kraft treten wird, hat der Gerichtshof beschlossen, den Schutz der Daten natürlicher Personen bei Veröffentlichungen zu Vorabentscheidungssachen zu verbessern.
Anmerkungen
1.
Für deutsche Juristen ist diese Entwicklung natürlich, wie erwähnt, ein Aha-Erlebnis. Je nach fachlicher Ausrichtung wundern sie sich bislang mehr oder weniger oft, über den Unterschied zwischen vor allem dem anglo-amerikanischen und dem Gemeinschaftsrecht einerseits sowie dem deutschen Recht andererseits. Insbesondere im anglo-amerikanischen Recht konnten sich Beteiligte nur damit abfinden, über die Benennung des Urteils berühmt zu werden! Nach dem deutschen Recht müssen die Gerichte bekanntlich seit jeher anonymisieren.
2.
Das Recht auf Datenschutz ist ein auch von der Europäischen Menschenrechtskonvention ungeschrieben anerkanntes Menschenrecht. Schon deshalb ist klar, dass der EuGH diese Änderung einführen musste. Die DatenschutzGrundVO war, wie so oft, nur ein Anlass, Pflichten und Rechte zu überdenken.
3.
Insgesamt zeigt sich, wie grundlegend sich das Recht „of privacy” in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Der Verf. dieser Zeilen hat in einer Festschrift für Prof. Dr. Murad Ferid zum 70. Geburtstag im Jahre 1978 das Thema abgehandelt: ̶Gesetzestechnische Regelung der Arbeit mit Markt- und Sozialforschungsdaten im deutschen und amerikanischen Datenschutzrecht”. Kurz dargestellt wird, wie weit voneinander entfernt das amerikanische Datenschutzrecht von dem 1978 in Kraft getretenen, weit vorangeschritten deutschen Bundesdatenschutzgesetz entfernt ist.
4. Zum Begriff der Vorabentscheidung. Üblicherweise wird definiert: Nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Vorlage oder Anrufung des Gerichtes eines Mitgliedstaates im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der Rechtsakte der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union (Sekundärrecht). Die Entscheidungen sind für die Gerichte der Mitgliedstaaten bindend. Das Vorabentscheidungsverfahren soll die Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Gerichte der Mitgliedstaaten im Hinblick auf das EU-Recht gewährleisten. Rund die Hälfte aller beim EuGH anhängigen Verfahren sind Vorabentscheidungsverfahren.