Ein Urteil für jeden Anwalt, auch zu seinem Selbstverständnis: BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - IX ZR 243/17, erschienen am 4. Juli 2018.
Der Leitsatz:
Ein Rechtsanwalt ist grundsätzlich verpflichtet, seinem Mandanten auf Verlangen die gesamte Handakte herauszugeben. Soweit der Anwalt die Herausgabe mit Rücksicht auf Geheimhaltungsinteressen sonstiger Mandanten verweigert, hat er dies unter Angabe näherer Tatsachen nachvollziehbar darzulegen.
Aus der Begründung. Hervorhebungen von uns für einen schnellen Einblick:
Zu den nach § 667 BGB herauszugebenden Unterlagen gehören die Handakten des Rechtsanwalts. Ausnahmsweise können Eigeninteressen des Anwalts oder Geheimhaltungsinteressen Dritter Vorrang genießen.
Eine Ausnahme hinsichtlich der Herausgabepflicht gilt für solche Unterlagen, die nicht lediglich über das Tun im Rahmen der Vertragserfüllung Aufschluss geben, sondern persönliche Eindrücke, die der Anwalt in den Gesprächen gewonnen hat, wiedergeben. ...
Zudem bestehen Verschwiegenheitspflichten des auf Herausgabe der Handakte in Anspruch genommenen Rechtsanwalts mit Rücksicht auf Interessen seiner sonstigen Mandanten. Die Verschwiegenheitspflicht findet ihre Grundlage in dem auf einem besonderen Vertrauensverhältnis beruhenden Anwaltsvertrag. Eine Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht kann eine Vertragshaftung des Rechtsanwalts aus § 280 Abs. 1 BGB, aber auch eine deliktische Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB begründen
[Dem Anwalt] war es ohne besonderen Anlass verwehrt, andere Mandate betreffende Schriftstücke in die Handakten einzufügen, welche die Verfahren der Schuldnerin zum Gegenstand haben. Vor diesem Hintergrund bedürfte es einer eingehenden Darlegung, warum [der Rechtsanwalt] für die unterschiedlichen Mandate nicht gesonderte Handakten geführt hat.