Das meinte heute, Urteil vom 29.5.2018, das Oberlandesgericht Köln, Az. 15 U 65/17.

Am 20.11.2015 berichteten wir an dieser Stelle über das Gerichtsverfahren. Am 27.4.2017 hat das Landgericht Köln Altkanzler Kohl kurz vor dessen Tod die höchste Entschädigung der deutschen Rechtsgeschichte zugesprochen: eine Million Euro für die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch das Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle".
In dem 2014 erschienenen Buch waren Zitate aus Gesprächen enthalten, die der Ex-Kanzler 2001 und 2002 mit dem Journalisten Heribert Schwan geführt hatte, damit der Journalist als Ghostwriter Kohls Memoiren verfassen konnte. Bevor der vierte und letzte Band der Memoiren erscheinen konnte, zerstritten sich Kohl und Schwan. Schwan veröffentlichte daraufhin gegen den Willen Kohls das "Vermächtnis"-Buch mit kritischen, teils bösartigen und von Schwan verfälschten Äußerungen Kohls über Weggenossen. Die Entscheidung war aber noch nicht rechtskräftig, als Kohl zwei Monate später, am 16. Juni 2017, starb.
Seine Witwe führte als Erbin das Verfahren fort. Das Kölner Oberlandesgericht urteilte nun als Berufungsgericht: Der Entschädigungsanspruch diene der Genugtuung des Geschädigten. Genugtuung sei nur zu Lebzeiten möglich. Der Anspruch auf Zahlung einer Mio. Euro sei noch nicht rechtskräftig und deshalb erloschen. Das OLG beruft sich auf eine Entscheidung des BGH vom 23. Mai 2017, Az. VI ZR 261/16.
Anmerkungen:
1.
Der - es lässt sich nicht leugnen - das Vertrauen Kohls übel missbrauchende Schwan äußerte heute nach der Verkündung des Urteils: „Die gierige Kohl-Witwe kriegt keinen Cent."
2.
Da hilft es auch nicht, dass das Gericht heute in der Verhandlung die Arbeit Schwans scharf kritisierte. Nahezu zwei Stunden lang listete die Vorsitzende Richterin immer wieder “Fehlzitate”, “Kontext-Verfälschungen” und “grobe Verletzungen der journalistischen Sorgfaltspflicht” auf. Im übrigen, so das Gericht, durfte Schwan die Zitate aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht sowieso nicht veröffentlichen.
3. Hochmut kommt vor dem Fall
Eine Revision wurde zugelassen. Die Witwe legt Revision ein. Nicht bedacht hat Schwan, dass er mit seiner Beleidigung der Kohl-Witwe und seinem gesamten sonstigen Verhalten den BGH veranlassen kann, die Rechtsprechung zur Unvererblichkeit dezisionistisch zu ändern. Die ständige Rechtsprechung aller deutschen Gerichte zu Persönlichkeitsrechten wurde früher schon drastisch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und nach Rückverweisung dann durch den BGH geändert (die berühmten Urteile zugunsten Prinzessin Caroline von Monaco). Der Prinzessin Caroline Fall war weit weniger zu einer Änderung der Rechtsprechung angetan als das Verhalten Schwans. Schwan kann somit derjenige sein, der den BGH gleich oder nach Rückverweisung durch den EGMR veranlasst, die bisherige Rechtsprechung zu ändern. Der BGH hat ohnehin in seinem Urteil vom 23.5.2018 mit „grundsätzlich”
einen Weg frei gelassen, Satz 1 des Leitsatzes vom 23.5.2018: „Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich.” 4.
Dem OLG Köln fehlte nur der Mut oder wie immer man es nennen mag.
5.
Der Verf. dieser Zeilen ist parteipolitisch frei. Er ist nicht etwa auf Altkanzler Kohl ausgerichtet, früher ganz im Gegenteil. Er versteht die Verbitterung Kohls am Ende seines Lebens jedoch besser, - auch im Hinblick auf das Verhalten Schwans.