Es fällt auf, dass sich Funktionäre des Deutschen Anwaltvereins immer wieder dazu berufen fühlen, wie Parteipolitiker in die Tagespolitik einzugreifen und die von ihnen kritisierten Äußerungen nach eigenem Gutdünken wahrzunehmen. Soeben:

Als DAV-Präsident „profilierte” sich Herr Ulrich Schellenberg zu Dobrindts „Anti-Abschiebe-Industrie”. Der Präsident wörtlich: „Das Einlegen von Rechtsmitteln und das Erheben von Klagen steht jedem im Rahmen der geltenden Gesetze zu. Gerade das macht den Rechtsstaat aus. Mit seinen Aussagen schwächt Herr Dobrindt den Rechtsstaat und stärkt ihn nicht. ... In Deutschland haben eben die Gerichte das letzte Wort und nicht die Politik, wer das nicht akzeptieren will, hat das Wesen des Rechtsstaates nicht verstanden."
Anmerkungen:
1.
Der DAV gibt vor, er wende sich gegen eine Pauschalverurteilung der Rechtsanwälte. Auf diese Idee muss man überhaupt erst kommen. Eine Umfrage würde nach den Erfahrungen des Verf. dieser Zeilen, eines Rechtssoziologen, klar ergeben, dass die Dobrindt-Erklärung von den Allermeisten oder allen nicht als Pauschalverurteilung verstanden wird. Funktionäre schieben demnach nur eine fehlende Pauschalverurteilung zur eigenen Profilierung vor. Ist das verantwortungsbewusst?
2.
Als ob Dobrindt gesagt werden müsste, dass „Das Einlegen von Rechtsmitteln und das Erheben von Klagen jedem im Rahmen der Gesetze zusteht...”. Weiß Herr Präsident Schellenberg nicht, dass ein Übermaß beklagt wird und dieses Übermaß dem Rechtsstaat schaden kann?
3.
Herr Präsident Schellenberg hatte doch sicher beispielsweise in den Nachrichten gehört, was auch Herausgeber Markwort in seinem FOCUS-Tagebuch 18/18 angeprangert hat:
„Fragwürdige Anwälte, deren Zulassung hoffentlich überprüft wird, organisierten Busfahrten aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nach Bremen, weil die dortige Bamf-Chefin großzügig Asyl gewährte.”
Ist es da nicht komisch und satzungswidrig, wenn der DAV-Präsident mit der Autorität „der Rechtsanwaltschaft” in die Politik eingreift, Presseerklärungen herausgibt und auch noch im Fernsehen auftritt? 4.
§ 3 der Satzung des DAV begrenzt die Aufgaben:
„Zweck des Vereins als Berufsverband ist die Wahrung, Pflege und Förderung aller beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaft und des Anwaltsnotariats.”
Für welche „beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaft und des Anwaltsnotariats” hat sich Präsident Schellenberg geäußert?
5.
Weitere Stimmen veranschaulichen, dass der DAV nicht politisch unausgewogen für die Rechtsanwaltschaft hätte eingreifen dürfen. So hat sich der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen (BDVR) vor Dobrindt gestellt. BDVR-Vorsitzender Robert Seegmüller sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung", Ausgabe vom 8.5.2018, den eigentlichen Angriff auf den Rechtsstaat sehe er in einem mangelnden Respekt vor den Behörden und der Justiz.
6.
P.S.: Der Verfasser dieser Zeilen ist (noch) Mitglied des DAV, gehört somit, wie viele andere auch, zur „Rechtsanwaltschaft”.