Gestern bekannt gegebene Urteile des Bundesgerichtshofs vom 18. Januar 2018 in einem verbundenen Verfahren V ZB 113/17, V ZB 114/17.

Der Fall Az. V ZB 113/17
Der Anwalt hatte für den Abend des Fristablauf-Tages nach der Rückkehr in die Kanzlei ab 20.00 Uhr geplant, zunächst eine bereits begonnene Klageschrift fertigzustellen und anschließend eine Berufung an das Landgericht zu faxen. Gegen 21.30 Uhr ist ihm stark, völlig unvermittelt, übel geworden. Er musste sich heftig erbrechen. Er wurde auch sonst gesundheitlich stark beeinträchtigt. Ihm wurde schwarz vor Augen, und er war nicht mehr in der Lage, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, hat er vorgetragen. Nachdem er eine längere Weile auf dem Boden des Badezimmers der Kanzlei an der Wand gelehnt hat, hat er sich nach mehreren Schweißausbrüchen entschlossen, zu seinem 2,5 Kilometer entfernten Wohnhaus zu fahren. Er sei so benommen gewesen, dass er es unterlassen hat, den Computer herunterzufahren, die Flurbeleuchtung der Kanzleiräume auszuschalten und seine Bürotür und die Haustür der Büroräume abzuschließen. Nach weiteren heftigen Erkrankungsschüben in der Nacht trotz eingenommener Medikamente hat er einen Arzt um einen Hausbesuch gebeten. Der Arzt besuchte ihn dann auch am frühen Nachmittag. Erst im Laufe des späten Nachmittags ist dem Anwalt bewusst geworden, dass die Berufungsfrist abgelaufen ist.
Begründung
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich der Rechtsanwalt auf einen krankheitsbedingten Ausfall nur dann durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er einen solchen Ausfall vorhersehen kann. Wird er - wie hier - unvorhergesehen krank, muss er nur das unternehmen, was ihm dann möglich und zumutbar ist.
Der Anwalt hat nicht deshalb schuldhaft gehandelt, weil er nach seiner Rückkehr in die Kanzlei mit der Fertigstellung einer Klageschrift begonnen hat und erst im Anschluss die Berufungsschrift erstellen und faxen wollte. Ob diese Bearbeitungsreihenfolge „nachvollziehbar“ ist oder nicht, ist rechtlich unerheblich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt Fristen ausschöpfen, ohne sich allein hierdurch einem Verschuldensvorwurf auszusetzen. Da die Erkrankung des Anwalts plötzlich und unerwartet auftrat, war er nicht gehalten, das Versenden der Berufungsschrift, das nur wenige Minuten in Anspruch nehmen würde, vorzuziehen.
Dass der Anwalt trotz Erkrankung noch mit dem Pkw nach Hause gefahren ist und in der Zeit davor nicht bewusstlos war, besagt nicht, dass er in der Lage war, noch vor der Abfahrt den Berufungsschriftsatz zu fertigen und per Telefax an das Berufungsgericht zu senden.