Den Wettbewerbsrechtler überrascht nicht, dass der BGH das zweitinstanzliche Urteil bestätigt hat. Das Urteil kann gegen viele Spitzenstellungsbehauptungen als Muster verwendet werden.
Der Kunstgriff bei Werbungen dieser Art besteht oft darin, dass ein positiver Aspekt irreführend erweitert wird. T-Online hatte sich mit der Zahl der Kunden gleich zum Größten ausgerufen.
Der BGH stellt in seinem Urteil jedoch - wie schon früher in vergleichbaren Fällen - klar: "T-Online ist Europas größter Onlinedienst" und ähnliche Aussagen bezieht der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Adressat nicht nur auf die Zahl der Kunden. Vielmehr entsteht auch der Eindruck, dass T-Online am umfangreichsten und häufigsten genutzt werde und eine entsprechende Marktpräsenz habe. Geklagt hatte das Konkurrenzunternehmen America Online Inc. (AOL) und bekam in vielen Anklagepunkten recht.
Welche Werbeaussagen des Medienkonzerns im Einzelnen als unlauter und welche als zulässig gewertet wurden, erfahren Sie hier im Urteil des BGH (I ZR 284/01).
Noch eine Anmerkung für Experten, vor allem auch für die fortgeschrittenen Studenten der Angewandten Rechtssoziologie (die insofern „weiter sind” als die meisten Wettbewerbsrechtler): Ehe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das „Leitbild” vom „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher” kreiert hat, hat der BGH darauf abgestellt, ob ein erheblicher Teil der Adressaten irregeführt wird. Dieses Leitbild des EuGH ist ein vorübergehender Rückschritt. Niemand auf dieser Welt, auch kein Richter, weiß von sich aus, wie ein solcher Verbraucher auffasst. Diesen einen „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher” gibt es gar nicht. Es gibt viele und die fassen unterschiedlich auf. Deshalb muss doch auf den „erheblichen Teil” abgestellt werden. Der vorübergehende Rückschritt ist darauf zurückzuführen, dass europäisch noch nicht das gleiche Niveau erreicht ist.