Klicken Sie bitte auf dieser Homepage links auf „Kanzlei” und dort auf den sich öffnenden Unterrubriken auf „Pressestimmen”. Sie können - beispielhaft - nachlesen, wie sich die Presse in Deutschland zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 24. Juni für Menschenrechte geäußert hat. Vorzügliches Musterbeispiel: Das in dieser Unterrubrik „Pressestimmen” unter anderem ins Netz gestellte veröffentlichte Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Das Problematischste an den Entscheidungsgründen ist, dass sie sich mit keinem Wort bemühen, sich mit dem Kern der Rechtsprechung der deutschen Gerichte auseinanderzusetzen. Vor allem das Bundesverfassungsgericht hat in seinem - im Mittelpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs stehenden - Beschluss vom 15. Dezember 1999 detailiert dargelegt, was es bedeutet, dass die Prominenten Leitbilder sind. Erst recht geht der Gerichtshof nicht einmal andeutungsweise darauf ein, dass die Entscheidung insofern die Pressezensur einführt, nämlich:
Das Angenehme aus dem Privatbereich kann berichtet werden, weil die Prominenten mit solchen angenehmen Berichten gerne einverstanden sein werden. Über das Unangenehme dürfen die Medien nach der Entscheidung des Gerichtshofs - ohne Einverständnis der Betroffenen - dagegen grundsätzlich nicht mehr informieren.
Man braucht kein Hellseher zu sein, um die Entwicklung - bliebe es bei der Entscheidung der 3. Kammer des Gerichtshofs und würden die Gerichte der europäischen Staaten diese Rechtsprechung hinnehmen - vorherzusehen:
Die Medien müssten vor der Publikation die Einwilligung der Prominenten einholen. Damit kämen entweder nur noch Berichte zustande, die die Prominenten erst recht zu Scheinheiligen werden lassen, - womöglich gegen ein Exklusivhonorar; oder die Medien verzichten auf einen Bericht. Rechtssoziologisch und kommunikationswissenschaftlich ein verheerendes Ergebnis.
In dem erwähnten Feuilleton-Artikel der F.A.Z. kommen diese Probleme am besten zum Ausdruck.
Damit kein Missverständnis entsteht: Nach der Entscheidung des Gerichtshofs heißt das Thema nicht: Paparazzi-Fotos, ja oder nein? Der Gerichtshof verlangt schlechthin, „that the published photos and articles make to a debate of general interest” (Nr. 76 der Entscheidung), und der Gerichtshof ergänzt in Nr.77, „that the public does not have a legitimate interest in knowing where the applicant is and how she behaves generally in her private life even if she appears in places that cannot always be described as secluded and despite the fact that she is well known to the public.” Es soll demnach schlechthin nur noch über allgemein interessierende Themen berichtet werden dürfen, zu denen jedenfalls nicht gehört, wie sich Prominente außerhalb ihres Berufes verhalten.
Nur noch nebenbei: Prof. Lerche hat schon vor 14 Jahren in einer Abhandlung dargelegt, selbst Medienexperten würden presserechtlich in die „verzweifelte Rolle eines Hellsehers” gedrängt, wenn sie Gerichtsentscheidungen vorhersagen sollen. Mit dem Kriterium „a debate of general interest” als Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung wird die Hellseherei auf die Spitze getrieben. Wie sollen Journalisten, denen ja bis hin zur Geldentschädigung eine ganze Reihe von Gegenansprüchen drohen, so noch die öffentliche Aufgabe der Medien erfüllen können? Das Bundesverfassungsgericht betont jedoch in ständiger Rechtsprechung, die Medien dürften nicht eingeschüchtert werden.