Dürfen Arbeitnehmer mit Videokameras heimlich überwacht werden? Kundige Juristen werden das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. März 2003 kennen oder doch ermitteln. Aber:
Dieses Urteil erging zu einem Sachverhalt, der sich ereignete, als noch nicht der am 18. Mai 2001 zur Videoüberwachung eingeführte § 6 b des Bundesdatenschutzgesetzes galt. Also: Das Urteil wurde zwar gerade erst vor einem Jahr gefällt, hat aber - rechtmäßig und bewusst - noch nicht das seit drei Jahren geltende Datenschutzrecht beachtet.
Diese Besonderheit ist deshalb brisant, weil § 6 b BDSG in seinem Abs. 2 - entgegen dem bisherigen Recht - heimliche Videoaufnahmen in öffentlich zugänglichen Räumen absolut verbietet.
Der Sachverhalt: In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte die verdächtige Arbeitnehmerin das Geld an ihrem Arbeitsplatz (der nicht öffentlich zugänglich war) aus der Kasse entnommen; - festgehalten von einer direkt über der Kasse installierten Kamera. Eine zweite, versteckte Kamera nahm (heimlich) auf, wie die Kassiererin das entnommene Geld im öffentlich zugänglichen Bereich, in einem Gang, in ihre eigene Tasche steckte.
Das BAG akzeptierte in seinem Urteil (nach altem Recht), dass die Videoaufzeichnungen verwertet wurden.
Im Schrifttum wird aufgrund der Einführung des § 6 b die Ansicht vertreten, dass die vom BAG in seinem Urteil herausgearbeiteten Grundsätze nicht mehr gelten und das BAG gleiche Sachverhalte, die sich ab dem 18. Mai 2001 ereigneten, nun anders beurteilen müsse. Einzelne wollen das generelle Verbot des § 6 b Abs. 2 teilweise sogar auf öffentlich zugängliche Räume erstrecken.
Prof. Jürgen Helle urteilt dagegen im neuesten Heft der juristischen Fachzeitschrift „Juristen-Zeitschrift” (JZ) differenziert. Er legt § 6 b einschränkend aus. Er argumentiert, es sei nicht plausibel danach zu unterscheiden, ob die Kassiererin das Geld noch an ihrem Arbeitsplatz (nicht öffentlich zugänglicher Raum, für den das generelle Verbot nicht gilt) oder erst im öffentlich zugänglichen Gang einsteckte. Nach Prof. Helle wäre der BAG-Fall, wenn er sich heute ereignete, im Ergebnis genau so zu entscheiden, wie das BAG geurteilt hat. Die Videoaufzeichnungen dürfen demnach verwertet werden.